Die ZEIT ist eine wirklich gute Zeitung – allerdings scheinbar nicht, wenn es um Internet-Themen geht. Es scheint zum feinen Ton zu gehören Hypes in den Niederungen des Internets erst einmal offensiv abwertend und kritisch gegenüber zu stehen und vor allem die Unsinnig- und Schwachsinnigkeiten mancher Trends hervorzuheben.
So beschwert sich der Journalist Jens Uehlecke per Glosse „Schluss mit dem Geschnatter“ über die Belanglosigkeiten auf Twitter – und verkennt worum es eigentlich geht. Schon sein Kollege Jochen Stahnke, war nicht in der Lage einfachste Zusammenhänge in der Diskussion über die Alternativen zum Copyright zu recherchieren.
Aber mal zu Twitter: Dies ist nicht „Bloggen für Arme“, sondern „SMS im Turbo-Modus“. SMS ist ein Dienst, der inzwischen eine Relevanz erreicht hat, die dem eigentlichen mobilen Telefonieren fast gleichkommt: der Grund ist, das die Synchronität – das gleichzeitige Sprechen – keine Bedingung mehr ist, um einfache Kommunikation zu realisieren.
Twitter potenziert genau dieses simple SMS-Prinzip der direkten asynchronen Kommunikation von einer 1-zu-1-Kommunikation in eine 1-zu-viele-Kommunikation. Noch fehlen in Twitter die Möglichkeiten Gruppen zu bilden und zu adressieren – aber solche Funktionen werden kommen. Gleichzeitig – und das ist sehr wesentlich um den Erfolg zu erklären – reduziert Twitter die Kosten, die bei SMS anfallen, erheblich. Ich habe aktuell 194 Follower (von denen ich etliche vielleicht gar nicht persönlich kenne) und wenn ich diesen 194 SMS schicken müßte, würde ich jedes Mal etliche Euros los. Viele Twitterer haben wesentlich mehr Verfolger – die Updates werden für die Autoren bei Twitter dadurch nicht teurer. Zudem – und auch das ist ein sehr wichtiger Unterschied – muss ich die Liste der Verfolger nicht selbst verwalten: es entsteht keine zusätzliche Arbeit für den Autor selbst, wenn es sehr grosse Empfängerlisten gibt.
Der einzige Haken ist derzeit noch, dass nicht alle Mobiltelefone automatisch Twitter-fähig sind, so dass man neuere internetfähige Telefone benötigt (es sei denn man verwendet kostenpflichtige Twitter/SMS-Gateways).
Ob ein Dienst Sinn macht ist keine Frage des Dienstes, sondern eine Frage der kulturellen Praxis, die sich an diesem Dienst entwickelt. Und es ist nicht ungewöhnlich, dass zu Beginn erst einmal viel überflüssiges entsteht. Und hier ähnelt sich das Bloggen und das Twittern: Wer ständig Unsinn schreibt (in 140 Zeichen oder mehr ist ziemlich unwesentlich), der wird weniger gelesen.
Was denn Sinn der Inhalte anbelangt, so kann man für alle Kommunikationstechniken attestieren: Worüber man Belanglosigkeiten verbreiten kann, darüber kann man auch sinnvolles verbreiten. Auch das Web ist voller Belanglosigkeiten. Wer Inhalte kritisieren will sollte die Autoren angehen – nicht die Mittel, welche diese zur Verbreitung benutzen!
Und daher werde ich jedenfalls um Herrn Stahnke und Herrn Uehlecke beruhigt einen großen Bogen machen… und vielleicht irgendwann bedauern, dass die ZEIT im Bezug auf die gesellschaftliche Einordnung von Technologiethemen keine publizistische Relevanz mehr hat.