Nicht Blogs bedrohen die Zeitungen, sondern unfähige Journalisten

Jochen Stahnke verfasst für die FAZ über die re:Publica’09 einen selten dummen und stereotypen Artikel. Was ist mit der FAZ passiert?

Die Re:Publica’09 war leider dieses Jahr keine so überzeugende Veranstaltung – das ist nicht nur mein eigener Eindruck gewesen, sondern auch der von anderen, die dort waren. Zu wenig „smart“ waren die meisten Vorträge – und statt auf Qualität setzt man auf viele Themen – dem Ganzen fehlt am Ende, was das Motto „Shift happens“ vielleicht suggerieren sollte.

Allerdings gab es auch gute und wichtige Beiträge. Lawrence Lessig, Jimmy Wales, … die Amerikaner zeigen, dass sie den Diskurs nicht nur technologisch dominieren, sondern auch intellektuell. Mit Spannung klicke ich daher auf den FAZ-Link

Herr Stahnke reagiert mit einer geradezu kindlich-trotzigen Arroganz auf das, was sich ihm verschlüsselt darstellt… und weil er nicht verstehen kann, was er nicht verstehen will, reiht sich in seinem Artikel auch ein Unsinn nach dem anderen.

Beispiel: Lawrence Lessig wird als „Verfechter eines Copyright-befreiten Internets“ auf der mit Creative Commons ein „Modell der freien Lizenz für Medienerzeugnisse“ gegründet habe. Und das wäre so – laut Stahnke – als würde man auch von Immobilienmaklern, Steuerberatern und Rechtsprofessoren verlangen, dass sie auf die Bezahlung ihrer Leistung verzichten.

Richtig ist:

1. Lessig ist gegen ein exklusives, übermäßig lange gültiges und alles betreffendes Copyright – und schlägt ergänzend (!) hierzu abgestufte Lizenzen vor, die weniger exklusiv sind und die bestimmte Nutzung pauschal erlauben. Das hat mit einem „Copyright-befreiten Internet“ herzlich wenig zu tun – mehr aber mit einer Entlastung kulturellen Schaffens von zwanghafter Überkommerzialisierung durch einige einfache Optionen für die Urheber

2. Creative Commons Lizenzen sind demgemäß also nicht „freie Lizenzen“, sondern sie erlauben eine Nutzung unter bestimmten Bedingungen

3. Rechtsprofessoren (und auch andere) erbringen nicht selten viele Leistungen unentgeltlich

4. Überhaupt sind Creative Commons Lizenzen erdacht worden als alternative Lizenzierung der Nutzung bestehender Werke – und sie haben nichts, aber auch gar nichts, mit den Regeln für die Honorierung von Dienstleistungen zu tun.

5. Zudem: Immobilienmakler, Steuerberater und Juristen erzeugen eher selten „geistiges Eigentum“, sondern nutzen lediglich ein Informationsgefälle aus (Vielleicht ist das ja ein Modell, welches Herrn Stahnke für den Journalismus vorschwebt…)

Jochen Stahnke resümiert:

Dass die Urheber von Gedanken, die nicht bezahlt und geschützt werden, bald keine Zeit und kein Geld mehr haben, diese zu denken, und dass eine Avantgarde, die über 140 Zeichen und den Horizont ihres Privatlebens nicht hinauskommt, kaum geeignet ist, die Weltöffentlichkeit aufzuklären – an diesen Widerspruch mochte Lessig aus Angst vor Veränderung keinen Gedanken verschwenden. Die Bloggerrepublik kreist weiter um den eigenen Bauchnabel und gefällt sich dabei, ihn für die Öffentlichkeit zu halten.

Die meisten Twitter-Nutzer – vor allem jene mit vielen Followern – zeigen nicht nur per Twitter Präsenz. Viele schreiben Blogs, Artikel, Konzepte, viele treten auf Panels auf, lassen ihr Wissen in Produktkonzepte und andere Diskurse einfließen – und setzen mit ihren Mitteln und ohne die Definitionsmacht einer Tages- oder Wochenzeitung im Rücken durchaus auch Impulse innerhalb dieser Diskurse.

Was also ist die „Weltöffentlichkeit“ eigentlich, die laut Herrn Stahnke, von den Bloggern und Twitterern nicht aufgeklärt wird? Der Öffentlichkeitsbegriff hat sich gewandelt und zersplittert. Das ist ein Problem – aber es ist eines, welches nur kluger Journalismus helfen kann zu lösen. Ein Journalismus, der den Wandel versteht, die Entwicklungen antizipiert und die Synergien auslotet – gerade auch im Bezug auf die Themen, deren Behandlung eine journalistischen Souveränität benötigt.

Ein Journalismus, der derartig unverständig und schlicht auftritt wie der von Jochen Stahnke, der vergiftet (auch im Feuilleton) den guten Ruf, den die Journalisten gerne für sich in Anspruch nehmen – oft auch zu Recht, nur hier leider nicht.

Erstellt am 6. April 2009 um 21:00 Uhr | Kategorie: medien
Dieser Artikel hat 4 Kommentare

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Kai
6. April 2009 um 21:35 Uhr

Danke für die Zusammenfassung. Den FAZ-Artikel konnte ich leider nicht am Stück lesen… dafür war neben dem Inhalt leider auch der Text viel zu unterirdisch. Wenn Herr Stahnke Lessigs Präsentation schon „erstaunlich schlicht“ fand, dann würde mich interessieren was ihn sonst überhaupt vom Hocker haut. In dem ganzen Artikel ist für mich keine einzige rote Faser zu erkennen, ein plumpes Ausgekotze… so wie schlechtes Essen das man sich dann doch entschließt in die Mülltonne zu kloppen.

7. April 2009 um 11:14 Uhr

Eine recht eigenartige und tatsächlich stereotype Haltung, die Herr Stahnke gegenüber der (Micro)Bloggosphäre einnimmt. Bin ihm aber sehr dankbar für die überraschende Erkenntnis, dass sich auch über Twitter und Co nicht nur geistige Vollwertkost verbreiten läßt. War mir neu. Und vielen Dank auch, dass ich nun endlich die wahre, böse Natur des CC-Lizenzmodels erkennen durfte.

[…] und Journalisten, das ist oft ein Thema, das sehr emotional geführt wird, nicht selten mit einer gehörigen Portion Ignoranz auf beiden […]

[…] sein Kollege Jochen Stahnke, war nicht in der Lage einfachste Zusammenhänge in der Diskussion über die Alternativen zum Copyright zu […]

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