Ein ehemaliger Studierender der FH Köln (Informationswirtschaft), der im WS 2000/2001 an einem Workshop von mir zum Thema Informationsvisualisierung teilnahm, meldet sich nach langer Zeit mit einer interessanten Frage an mich:
Heute, drei Jahre nach meinem Studium würde mich interessieren, wie heutige Studierende mit dem Netz umgehen. Wie viel eingesickert ist von dem, was Sie damals präsentiert haben. Wie viel schon „live“ in der Lehre ist, was sich seither getan hat. — Ich hatte meinen ehemaligen Wirtschaftsprofessor angemailt, ob er z.B. „The Long Tail“ oder „Grand Unified Theory on the Economics of Free“ behandelt, aber keine Antwort erhalten. — Für mich nimmt dadurch das große gelbe Fragezeichen, das über meinem Kopf schwebt, zu. Ich würde gerne sehen//erfahren//erleben, wie heutige Studierende diese Themen anfassen, sehen (überhaupt bemerken?), die heute im Kern der Netzkultur stehen.
Das Thema Long Tail hatte ich in verschiedenen Seminare angeschnitten – auch 2005/2006 bei den Informatikern der FH Köln in der Vorlesungsreihe »Informatik und Gesellschaft« – meines Wissens erstmalig, obschon es dort seit langem eine Wirtschaftsinformatik gibt.
Viele Dinge scheinen sich in einem Feld „theoretischer Experimentation“ zu befinden… so auch die damals bereits thematisierte „Ökonomie der Nischen“, welches 2004 von Chris Anderson in dem Wired-Artikel „The Long Tail“ mit einem Terminus versehen wurde. Dass sich nicht jeder Professor für den Bereich Wirtschaft in gleichem Maße an (zuweilen populärwissenschaftlichen) Diskussion beteiligt (wenngleich auch wahrnimmt) ist nichts ungewöhnliches.
Allerdings ist die Frage, in welchem Maße die Studierenden heutzutage solche Diskussionen und Themen bemerken – im Sinne eines »auf sich beziehen könnens« – ist schwer zu beantworten. Manches mal habe ich den Eindruck, dass die aktuell brisanten Themen nicht nur den Studierenden zu unwirklich erscheinen – sondern auch vielen meiner Kollegen.
Ich gehe schon seit langer Zeit gegen eine bestimmte »Agnostik« vor, immer die Relevanz für mein Lehrgebiet (Interaktive Medien) dabei unterstreichend – und riskiere dabei auch Themen in die Lehre einzubringen, welche nicht gerade konkret wirken – obschon sie es absolut sind.
In einer Welt, die nicht nur eine Vernetzung der Möglichkeiten erlebt, sondern auch eine Vernetzung der Konsequenzen, sind manche Themen nicht mehr so leicht zu durchleuchten – und vielleicht einfach in ständiger Bewegung – zu schwierig einzubringen in einer gefassten, gesetzten und kontrollierten Form – gewissermassen nach dem sich der Staub gelegt hat.
Nicht zuletzt erreicht mich die Frage, des damaligen Studierenden sieben Jahre nach dieser Veranstaltung. Das ist kein Selbstlob über die Weitsicht – aber doch ein Zeichen, dass mich irritierte Fragen zu manchen Themen meiner Lehre nicht beunruhigen.