Weblogs: Wissensspeicher, der sich selbst erzeugt

Eine eine Nachlese zur 1. BlogTalk-Konferenz in Wien

von Oliver Wrede
Juni 2003
Erschienen auf science.orf.at

Die BlogTalk-Konferenz in Wien, die am 23. und 24. Mai stattfand und sich ausgiebig mit „Weblogs“ befasste, war ein voller Erfolg. Zunächst war nicht klar, wie sich eine Konferenz zu einem in Europa noch weitgehend unbekannten Thema entwickeln würde.

Für eine „erste“ europäischen Konferenz, die sich mit diesem neuen Publikationsformat im Internet befasste, konnte man nicht erwarten, dass der Besucherandrang sehr groß werden würde. Man konnte auch nicht wissen, ob die Referenten gegenseitiges Interesse an ihren Themen haben und sich aus den Präsentationen interessante Diskussionen ergeben würden.

Aus der Sicht eines Referenten – und sicher auch des einen oder anderen Besuchers – fiel vor allem eines auf: Weblog-Autoren sind offensichtlich offene, neugierige und kommunikative Menschen. Einige kannten sich namentlich aus dem Internet selbst (und lasen teilweise ihre eigenen Seiten schon länger gegenseitig).

Insofern traf man zum Teil „alte Bekannte“ und konnte schnell auch neue Bekanntschaften schließen. Dementsprechend kam man schnell ins Gespräch und fand auch sofort ein gemeinsames Thema – welches nicht immer nur das jeweils eigene war. Und am Ende wurde eines deutlich: die Konferenz hätte ohne weiteres doppelt so lange dauern können und man hätte sich immer noch etwas zu erzählen gehabt.

Die verschiedenen Panels deckten sodann auch eine breite Palette von Themen ab: kulturelle Aspekte, Entwicklung des Journalismus in Anbetracht neuer technischer Möglichkeiten der Informationsbeschaffung, Beiträge aus Bereich der Bildung, Wirtschaft und Vermarktung usw.

Weblogs: Sozialer Raum, Hypertext, Wissensspeicher

Weblogs erweisen sich im Rückblick auf die vielen Beiträge der Referenten nicht als ein Internet-Hype, sondern als ein weiterer Schritt in eine Richtung, die das Internet zu dem werden lassen könnte, was es von jeher eigentlich immer hat sein sollen: ein sozialer Raum, ein Hypertext, eine Mischform zwischen Kommunikation und Publikation, ein Wissensspeicher, der sich über Relationen und Entwicklung von immer neuen Prozeduren und Strategien selbst erzeugt.

Es ist davon auszugehen, dass Weblogs nicht so schnell wieder verschwinden werden. Vielmehr wird man sie als alltägliches Format akzeptiert haben – so wie heute E-Mail oder das Mobiltelefon.

Und das wirft Fragen auf: Sind Weblogs ein Mainstream-taugliches Mittel, um im Internet zu kommunizieren? Muss man Privat-Weblogs von solchen Unterscheiden, die mit wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Intentionen betrieben werden? Ist die Information besser, wenn zigtausend Amateur-Journalisten ihren jeweiligen Kommentar zum Irak-Krieg oder zum neuen Betriebssystem-Update von Apple kundtun?

Warum geschieht das überhaupt? Und warum polarisieren Weblogs offenbar zwischen jenen, die dem „Schmalspurexhibitionismus“ nichts abgewinnen können und jenen, die in Weblogs eine Möglichkeit sehen, sich jenseits der etablierten Medienanbieter zu informieren?

Blogsphere: Imaginärer Datenraum aller Weblogs

Doch Weblogs anhand einzelner Beispiele zu beurteilen, wäre zu kurz gegriffen: die „Blogsphere“ – wie inzwischen der imaginäre Datenraum aller Weblogs heißt – wird mit verschiedenen Suchmaschinen und Meta-Suchmaschinen erfasst. Um nur einige zu nennen: Technorati, Feedster, Blogdex , Daypop , BlogTree , Blogrolling , Blogcount . Mit diesen auf Weblogs spezialisierten Diensten ist es gut möglich, sich einen Eindruck zu verschaffen, wie sehr die Weblogs untereinander vernetzt sind. In dieser Reputationsmechanik liegt eine besondere Qualität des Weblog-Formats.

Unter dem Stichwort „K-Logs“ (Kurzform für „Knowledge Weblogs“) wird sogar diskutiert, ob Weblogs informelle Prinzipien des Wissensmanagements gestatten, die Mitarbeiter als Wissensträger in den Mittelpunkt rücken und ihnen die Rolle eines Autors bzw. Redakteurs für spezifische arbeitsrelevante Inhalte zuzugestehen.

Es besteht die Hoffnung, dass hierdurch auch Informationen in einer Unternehmenshierarchie besser „nach oben“ fließen und hierdurch Entscheidungsprozesse in einer Art und Weise unterstützt werden, wie dies über E-Mail oder Intranet bisher nicht möglich war.

Mit anderen Worten: die Diskussion über Weblogs tangiert wichtige Themen und regt neue Ideen und technische Innovationen an. So erfolgreich die Wiener BlogTalk-Konferenz im Rückblick erscheint, so hat sie doch auch gezeigt, dass dieses Thema weitergeführt werden muss.

Die nächste Weblog-Konferenz steht schon fest: die „Weblog Business Strategies 2003 Conference“ am 9. und 10. Juni in Boston. Und auch diese Konferenz wird sicher nicht die letzte sein.